Sonntag, 5. November 2006

Polarnacht

Da steh ich und höre, schliesse die Augen und erschliesse mich dieser überufernden Sinnlichkeit, der gewaltigen Kraft, die sich vor mir ausbreitet, in mich übergeht, mich mitnimmt, auf Reisen, um die Welt und weit über sie hinaus. Da steh ich und lausche, längst nicht mehr nur mit Ohr und Ohr, vielmehr mit Herz, mit Seele, erfühle diese innere, ansonsten unbewusste Grenzenlosigkeit, Leichtigkeit, Freiheit. Das rationale Weltkonstrukt stürzt ein, erbricht sich in einem Feuerwerk von tausend Farben, Tönen, Figuren. Ich brenne. Fühle, wie die Berge kleiner werden, das Tal sich erhebt, Berg wird, Aussichtsturm, Wolkenschloss. Es ist ein Blick hinaus, eine kleine Ahnung und Hoffnung dessen, was verborgen liegt, was flüsternd und kaum hörbar zu uns spricht. Nicht festzuhalten, nicht erklärbar.
Ich bin Wind und fliege, überbrücke Zeiten, Welten, Sphären, nehme alles in mir auf, ohne Überlegung, ohne Wertung, bin Teil einer Welt ausser mir, in mir. Es rauscht, berauscht, ist hymnischer Wegleiter zur jenseitigen Psyche, zum ewig Lachenden.
Da, als ich meine Augen öffne – die Welt, einige Farben, einige Töne, Interessantes und Lebenswertes und schliesslich doch: Wüste. Der Glanz jedoch, das Unbezwingbare und Unfassbare des Gesehenen bleibt nunmehr wärmende Erinnerung, erhält sich als vage Kostbarkeit in mir, entschwindet langsam in der Dunkelheit des Verständlichen. Musik ist das Ende der Zeit, und damit der Anfang. Amen.
Gedanken vor dem Schlafengehen, heimgekehrt nach einem Polar-Konzert in Zürich

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Mit anderen Worten das Konzert war gut?