Dienstag, 31. März 2009

Anekdote aus dem Osten

Vom Dienste am Vaterland im Osten Europas gibt es vor allem ein Erlebnis zu berichten. Es gibt dann noch ein par andere Sachen, wie beispielsweise der Ausspruch "You can do it here!" eines Gastes zur Serviertochter, womit das Nachfüllen des Getränkes in das Glas gemeint war und keine Obszönitäten. Ah, und die Schweiz hat auch noch gespielt. Auf tiefem Niveau und ohne grosse Lust mit entsprechendem Stimmungsmissstand. Wenigstens hat der Ottmar noch freundlich gegrüsst und der Polizist hat seinen Hut geleiht (Foto folgt). Aber lesen Sie selbst über die bereits erwähnten wichtigen Dinge:
Man stelle sich vor in Moldawien zu sein und müsse die letzten leuen (e lei elei) investieren. Man kauft logischerweise die Produkte mit einem guten Preis-Leistungsverhältnis, welche ausserdem für eine Fahrt mit dem Nachtzug geeignet sind. Nun will man natürlich das gekaufte sogleich testen und gönnt sich mal ein Bier (Wahrscheinlich hätte Wodke bezüglich Alkohol ein besseres Preis-Leistungsverhältnis. Aber Leistung heisst ja nicht Alkohol, logisch). Jedenfalls hatte in früheren Epochen eine Grossmacht das Gefühl eine andere Spurbreite für die Züge haben zu müssen, was zur Folge hat, das der Zug rund drei Stunden mit Fahrwerkwechsel beschäftigt ist. Nun sind aber während dieser Zeit die sanitären Anlagen des Zuges geschlossen wobei auch schon am springenden Punkt wären. Der Eine oder Andere wurde mit einem eher verkrampften Gesicht und etwas nervösen Beinbewegungen gesichtet und der Eine nach dem Anderen suchte in Folge dessen der Zwischenraum zwischen den Wagen auf. Ich wollte natürlich nicht aus der Reihe tanzen. Dumm nur, dass als ich an der Reihe war, ein grün gekleideter Einheimischer durch den Zug ging. Zum Glück geschah dies bei bereits verminderten Druckverhältnissen und es scheint als habe er nichts gemerkt (oder er war freundlich).

Montag, 30. März 2009

Uganda, Miscellaneous IV

Sonntagmorgen. Während der Sonntagmorgen zuhause mein Lieblingsmorgen ist, mag ich diesen hier in Kampala nicht wirklich. Hierfür gibt’s aber einen konkreten Grund: die Kirche. Gleich gegenüber unseres Hostels findet sich eine kleine Kirche, in der am Sonntagmorgen ein Gottesdienst stattfindet. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine andächtige Messe konservativ-europäischer Prägung, sondern um ein recht ausgelassenes afrikanisches Kirchenfest. Es spielt eine (eher ungeniessbare) Band, die beiden Priester wechseln sich gegenseitig ab mit ausgedehnten und recht lautmalerischen Halleluja-Parolen, und all dies wird tausendfach verstärkt durch die kraftvolle Musikanlage. Das Ganze beginnt am Sonntagmorgen um neun Uhr und dauert ungefähr bis ein Uhr mittags. Eine Stunde wird in Luganda gepredigt, die nächste in Englisch, dann wieder Luganda. Und ich armer Langschläfer werde jäh aus meinen Träumen gerissen. Kein schönes Aufwachen.
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Im Kongo. Am Samstag war ich im Kongo, in Nord-Kivu genauer, in jener Provinz also, in der sich laut einer französischen Politologin die „grösste humanitäre Katastrophe des 21. Jahrhunderts“ abspielt. Ich war mit der Anthropologieklasse auf Feldexkursion im Südwesten Ugandas. Und da haben wir auch einen Zwischenstopp an der kongolesischen Grenze gemacht. Hier kam mir die merkwürdig-amüsante Ehre zu, zwischen dem kongolesischen Grenzwächter und unserem Professor zu übersetzen. Und der nette Herr liess uns schliesslich tatsächlich die Grenze passieren, ohne jegliche Pass- oder Visakontrolle. Zwar waren wir nur im Grenzort, aber alleine die Vorstellung, dass es diese Menschen hier sind, die von dieser Katastrophe betroffen sind, vielleicht Verwandte verloren haben, hat mir – nachdem ich letztes Jahr in der behüteten Welt der Zürcher Bibliothek noch eine Seminararbeit über den Konflikt geschrieben hatte und entsprechend ein wenig Hintergrundwissen besass – die Kehle zugeschnürt. Später, als wir zudem an einem UNHCR-Flüchtlingslager vorbeigefahren sind, wurde mir ein weiteres Mal bewusst, dass es nicht meine Aufgabe sein kann, zuhause im warmen Büro zu sitzen, während draussen die halbe Welt am Abgrund steht.
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Norwegisch-afrikanisches Liebestheater. Von den Europäern hier an der Makerere stellen die Norwegerinnen die Mehrzahl der Austauschstudierenden dar. Gut zehn Studentinnen sind es, die alle Development Studies machen und sich beinahe durchwegs durch eine amüsante Eigenschaft auszeichnen: Ihre Liebe zu den afrikanischen Herren. Während viele andere Austauschstudenten hier wenig mit Frauen-, Männer- und Liebesgeschichten am Hut zu haben scheinen, ist die Mehrzahl der Norwegerinnen bereits nach wenigen Wochen verheben und in festen Händen. Erst letzte Woche kam es zu einer neuen Verbindung, die beiden Glücklichen (beides Politologen und mir daher wohlbekannt) haben sich plötzlich und mit verfehlter Unauffälligkeit ins dunkle Kämmerchen zurückgezogen. Auch die letztjährige Norwegen-Makerere-Generation hat sich, wie mir gesagt wurde, nicht viel anders verhalten. Und beim schmerzlichen Abschied natürlich bittere Tränen geweint. Merkwürdig, diese Norwegerinnen…

Bild: Lake Bunyoni im Südwesten Ugandas, in der Nähe zu Rwanda und dem Kongo.

Die Normalität der abnormen Gewöhnlichkeit

Afrika scheint vollgepackt mit Absurditäten. Und je tiefer man sich diesen hingibt, desto weniger versteht man sie. Dies ist meine Empfindung zur Stunde.
Nachdem ich mich während den ersten acht Wochen hier bereits mit verschiedensten sonderlich-bizarren Begebenheiten und Ereignissen konfrontiert sah, erreichte der gestrige Abend ungeahnte Rekordwerte in der Skala des Absurden. Eine Geschichte, die nur so lange amüsant ist, bis man darüber nachzudenken beginnt.

Max ist ein schätzungsweise dreissigjähriger Ugander, der an der Makerere IT studierte und jetzt „anderes Business macht“, wie er es nennt. Max ist ein freundlicher, aufgestellter Kerl, den ich vor einigen Wochen in einer Bar in Kampala das erste Mal traf. Wir haben uns gut verstanden und schliesslich vereinbart, unser Gespräch bei einem anderen Treffen fortzusetzen. Dies zweite Treffen hat gestern stattgefunden. Max hat mich mit seinem Auto abgeholt und mich auf einen Drink im „Grand Imperial Hotel“ in Kampalas Stadtzentrum eingeladen. Dann, nach einigen Minuten gemütlicher Plauderei, kam es: „I’d like to offer you a job, Fabian“, meinte Max. „In Africa it’s hard to do business in the usual, official way: Too expensive, too complicated. So we make things easier…“. Ich war etwas konsterniert und fragte nach, um was es sich denn genauer bei diesem „Business“ handle. Max antwortete, es gehe um „Investments“. Ok, Investments… Welche Art Investments? „Everything from hotel renovations to media stuff“, meinte Max. „Media stuff?“ - „That’s confidential, I can’t tell you, Fabian“.
Nach und nach jedoch wurde klar, von was denn eigentlich die Rede war. Zusammengefasst sieht dies so aus: Max arbeitet für einen (der über siebzig) ugandischen Minister, der durch sogenannte illegale side businesses sein Salär aufbessert. Bei diesen Nebengeschäften handelt es sich um verschiedene Investitionen in verschiedene Bereiche und Wirtschaftszweige – in was genau ist highly confidential. Die entsprechenden Investoren sitzen meist in Europa. Das Problem nun ist, dass die Europäer, wie Max mir erklärte, den Afrikanern nicht trauen würden - und deshalb über weisse, europäische Mittelmänner verhandelt werden müsse. Und ich, the Swiss guy, soll Mittelmann werden. „Why me?“, frage ich. „Why not?“, meint Max. „It’s a great job. Every second, third week we‘ll send you to Europe for two, three days, we pay the flight, the hotel, the food. You meet our business partners and the potential investors, you hand over the contract, make them sign. That’s it!“ Ich frage, ob das Ganze nicht arg gefährlich sei für ihn, für den Minister, für die Mittelmänner – immerhin findet dies alles in der Illegalität statt.“No, it’s not. This is Africa, my friend!“, antwortet Max. Ich solle mich bis morgen entscheiden, dann würden wir uns einige weitere Male treffen, bis ich schliesslich dem ominösen Minister vorgestellt und mit ihm dinieren würde und hierbei den Confidence Check zu bestehen hätte.
Max fuhr mich im Anschluss zurück zu meinem Hostel, unterwegs sprachen wir unter anderem über Politik. Max meinte hierzu: „Modern politics is just a facade in Africa. So you have to help yourself.“ Ich nickte. Max konnte hierüber lachen, ich nicht.

Samstag, 21. März 2009

Wo ist Zuhause?

Zuhause ist da wo die Rechnungen hinkommen.

Ferdinand Gerhard beantwortet Fragen, die die Menschheit seit langem beschäftigen. Diesmal unter gütiger Mithilfe einer Inspirationsquelle aus dem nördliche Nachbarland der nachts auf meinem Sofa Martini trank als ich nachts nach Hause kam.

Dienstag, 17. März 2009

Uganda, Miscellaneous III

Balkonbesuch. Dennis ist mein Nachbar. Ich habe ihn während meiner ersten Woche hier getroffen und wir sind Freunde geworden. Dennis ist Kenianer, aus der Nähe Nairobis stammend, Informatik und Business-Student an der Makerere. Er hat ein kleines Zimmer im Hostel nebenan, wo ich ihn ab und zu besuche. Meist jedoch besucht er mich. Nicht in meinem Zimmer, sondern drüben, auf dem Balkon. Er muss hierzu nur die Treppe vor seinem Zimmer raufzugehen, über die Baustelle des sich noch im Bau befindlichen letzten Stockwerks hinüber zu jener Stelle kommen, wo sich mein Balkon befindet, und meinen Namen rufen. Faaaaaabiiiiiaaaaaaaan. Oder auch: Iuuuurrregggg (für: Urech). Bin ich zuhause, geh ich raus und wir plaudern etwas. Ich auf meinem Balkon, er an die Stützpfeiler des unfertigen nächsten Stockwerks gelehnt, zwischen uns vielleicht drei Meter, wo es zwischen den beiden Gebäude 10, 15 Meter runtergeht. Ich mag diese Besuche, auch, wenn der gute Dennis auch schon mal samstags um 8 Uhr morgens Fabian-rufend am Balkon steht und mich aus den Federn holt. Bisweilen gehen wir dann eine Runde Billard spielen, oft treffen wir uns zum Fussballschauen, manchmal kommt er auch nur hoch um einfach hallo zu sagen. Ein guter Kerl. Und die Baustelle, die mir vor dem Fenster die Sicht nimmt, hat so doch noch was Gutes.
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Musevenis „Opfer ans Wohle des Landes“. Präsident Museveni, der seit bald 23 Jahren an der politischen Spitze Ugandas steht, hat vor zwei Wochen einige Änderungen in seinem 70 Minister umfassenden Kabinett (Kenya hat neurdings noch mehr und ist neue Nummer 1 in Afrika) bekanntgegeben. Die augenfälligste Mutation bzw. Neuernennung betraf den Ministerposten für die Region Karamoja, nordöstlich Kampalas an der Grenze zu Kenia liegend. Herr Museveni hat nicht allzu weit gesucht und den Posten durch seine Frau, die ehrenwerte First Lady Janet Museveni, besetzt. Eine Wahl, die verständlicherweise für einigen Wirbel sorgte. In einem BBC-Radiointerview rechtfertigte der Präsident seine Nominierung letzte Woche auf merklich amüsante Art und Weise, indem er sagte, er habe den Posten seiner Frau zugesprochen, weil ihn sonst niemand wollte – das Ganze sei eine Opferung der Familie zum Wohle des Landes. Man kann sich nun fragen, ob denn die gute Frau nicht tatsächlich das Zeug dazu hat, in der ärmlichen Region für Besserung zu sorgen. Sie sitzt seit einigen Jahren im Parlament und ist graduierte Makerere-Studentin. Der Vorsteher unserer Polito-Fakultät hat uns aber kürzlich erzählt, dass Frau Museveni nur einmal auf dem Campus gesehen wurde – zum Ablegen der finalen Masterprüfung. Diese habe im Büro des Universitäts-Dekans stattgefunden und kaum mehr als eine halbe Stunde gedauert…
Am Sonntag nun stand in der Zeitung, dass der Präsident seiner Gattin für ihre Aufgaben einen Helikopter schenken möchte. Diese belässt trotz ihrem neuen Amt ihren Wohnsitz in Kampala und benötigt daher, um auf den ungeteerten Schotterpisten raus nach Karamoja nicht unnötig Zeit zu verlieren, nun ein anderes, schnelleres Transportmittel...
Nach sieben Wochen Uganda möchte ich meiner Weihnachtswunschliste einen weiteren Namen hinzufügen: Yoweri Museveni.
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Heimweh? Als mich der Papa Peter kürzlich fragte, ob ich denn ab und zu Heimweh hätte, hab ich so spontan gar nicht zu antworten gewusst. Entsprechend kann mein Heimweh zumindest nicht akut sein, sonst wäre ich mir dessen ja bewusst. Jetzt, wo ich aber etwas weitergehend drüber nachdenke, merk ich, dass ich mein Zuhause doch ab und zu vermisse. Nicht in schmerzlicher oder nachhaltig bedrückender Art und Weise, sondern teilweise nur für einen Augenblick, dem Umstand entsprechend und wohl immer dann, wenn ich merke, dass ich eben hier doch nie zuhause bin oder sein werde. Da ist etwa der Sonntagmorgen, wenn ich aufstehe, das Zmorge mit Familie, Züpfe, gutem Kaffee und der Sonntagszeitung vermisse. Oder beim Kartenspielen mit anderen Austauschstudenten, wenn ich dran denke, wies war, mit meinen Freunden zu jassen, dazu ein Glas Wein zu trinken und unbeschwert zu plaudern, zu erzählen, zu sein. Auch fehlt mir meine Sprache, das Schweizerdeutsch, sagen zu können, was man denkt, wie mans denkt – und dabei verstanden zu werden. Oder auch teilweise kleine Details, wie das frische Brot im Supermarkt, vielleicht mal ein Rivella, die Gewissheit, Teil von dem zu sein, das um einem ist, verstanden zu werden, verstehen zu können. Ja, die Schweiz ist kein schlechtes Zuhause. Werd gleich mal die Nationalhymne anstimmen...

Sonntag, 15. März 2009

Freitag, 13. März 2009

Mittwoch, 11. März 2009

Uganda, Miscellaneous II

Downtown Kampala

Obama.
„How is Obama?“, lautet die häufige Frage. Sie ist an mich gerichtet; täglich aufs Neue, irgendwo auf der Strasse, beim Vorbeigehen. Was antworten? Ich bin nicht Amerikaner. Aber eben weiss, was in der afrikanischen Konzeption des „Mzungus“ oft aufs Gleiche hinausläuft. Ja, der neue Mann an der globalen Spitze ist wichtig für Afrika. Er ist der neue Mandela, der neue Annan, er ist Symbolfigur und verkörpert jenes, was Afrika dringend bräuchte – Führungsstärke, Weitsicht, Intelligenz. Unser Professor hat kürzlich gemeint, Obama sei der erste legitim-demokratisch gewählte afrikanische Präsident. Das war ein Witz. Oder doch nicht?
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The Pearl of Africa. „Uganda is alive by itself. It… ought in the course of time to become the most prosperous of all our East and Central African possessions, and perhaps the financial driving wheel of all this part of the world… My counsel plainly is: ‘Concentrate upon Uganda’ No where else will the result be more brilliant, more substantial, more rapidly realized.” Winston Churchill, 1904. Soviel zum Potential dieses Landes. Was daraus gemacht wird, sehe ich von meinem Balkon aus beim Blick runter über die Wellblechdächer der ausgedehnten Wandegeya-Slums. Eine Tragödie.
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Der Storch. Der Storch ist der inoffizielle Herrscher des Makerere-Campus‘. Zumindest in ugandischer Version eine recht schmucklose, wenn auch amüsante Spezies, immerzu klappernd und trotz stattlicher Postur erstaunlich flieggewandt ist der Storch überall anzutreffen, morgens wie abends, meist in kleineren Scharen zu etwa einem Dutzend. Ich mag den Storch. Er ist friedlich und irgendwie etwas ungelenk-unbeholfen. Er isst, was ihm vor dem Schnabel liegt und scheint stets zufrieden. Ein bescheidenes Tier. Seit heute schmückt eine grosse Storchenfeder meine Zimmerwand.
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Sauberkeit. Weshalb seid ihr Westler eigentlich stets so dreckig? Diese Frage ist ernst gemeint. Und ich hab sie nicht erst ein Mal gehört. Die lokale Studentenschaft legt – ich hab’s in meinem Hemden-Beitrag bereits kurz erörtert – viel Wert aufs Äussere. Entsprechend wichtig ist Sauberkeit. Die meisten Studenten tragen Putztücher mit sich, um die Sitzfläche des Stuhls im Hörsaal vorsichtig abzuwischen, bevor man sich draufsetzt. Und wenn ich jeweils meinen Rucksack neben mich an den Boden stelle, wird er auch schon mal mit unverständlichem, jedoch freundlichem Kopfschütteln aufgehoben und auf einen (abgewischten) Stuhl gelegt.
Gegensätzliches ist jedoch bezüglich der Nahrungsmittelhygiene zu beobachten. Da scheint’s wiederum niemanden zu stören, wenn die Mücken und Fliegen sich an unserem Mahl mitbedienen. Das soll mal einer verstehen…
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Rasenmäher. Noch immer fallen viele Vorlesungen aus. Ohne Vorankündigung, einfach so. Niemand taucht auf, also geht man wieder nach Hause, einen Tee trinken oder plaudert ein wenig. Diese ganze Unverbindlichkeit ertrage ich an manchen Tagen besser, an manchen Tagen aber reg ich mich auf und finde es – basierend auf meinem Schweizer Werteverständnis – schlicht respektlos, uns so häufig und in vollstem Bewusstsein vergebens warten zu lassen. Interessant, dass gerade jener Professor, der uns in Ethik unterrichtet, allermeist nicht zum Unterricht erscheint - unangekündigt.
Es gibt allerdings auch andere Gründe, die dazu führen können, dass eine Vorlesung nicht stattfinden kann oder abgebrochen werden muss. Einer hiervon sind die Rasenmäher. Die Makerere verfügt über eine recht fleissige Mannschaft von Gärtnern, die den Campus in einem tatsächlich sehr behaglichen Zustand erhalten. Natürlich werden hierbei auch die Rasen gemäht – und hiervon gibt’s im tropischen Uganda viele. Wenn jedoch der Rasen vor unsere Fakultät zur Unterrichtszeit geschoren wird, hat das gewisse Nachteile. Die benutzten Rasenmäher sind nämlich derart laut, dass man in den Hörsälen – im ewig-sommerlichen Uganda gibt’s keine schalldämpfenden Fenster – sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Und auch wenn die Klasse sehr nahe zusammenrückt – der Professor ist nicht mehr zu verstehen. Und der Unterricht hiermit zu Ende.

Sonntag, 8. März 2009

Fragestunde von Onkel Andi

Kirgistan und Kasachstan inklusive Kulturschock und Klimasorgen oder Europa inklusive strammen Waden oder Alpsommer inklusive strammem Geruch?
Reading inklusive Karriere, Englisch und leerem Portemonnaie oder Berlin inklusive Kebab und deutschen Würstchen oder Hohenheim inklusive Suttgart oder Montpellier inklusive frankophoner Unikultur?
Ist ein Praktikum bei Nestle verwerflich oder kann man etwas kritisieren und dann dort ein Praktikum machen?
Wieso bekomme ich die Pferdewoche zugeschickt?
Wieso kommt auf Facebook bei meinem Profil Werbung zum Abnehmen obschon ich gerade eineinhalb Monate in Kur war?
Soll ich mehr Grounds machen als rupeli, oder ist er dann traurig und wütend?
Lieber einen Boten zu Pferd schicken oder ein SMS oder an die Facebook-Pinwandposten?
Sich lieber auf Facebook oder auf einem schlechten Blog oder auf einem guten Blog oder auf einem Blog oder am Donnerstag im Stuz oder am Freitag im Kaufi selbstinszenieren?

Danke für Ihre Hilfe.

Freitag, 6. März 2009

Uganda I

Weites Land schreibt Geschichte ins Gemüt
Und färbt sich rot in weisse Herzen
Weil Abend s‘wird, und dunkel, schwarz
Verwelket alles im seichten Trommelwirbel
Der Weltgeschichte.

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Aufbruch zu neuen, erweiterten Ufer
(ohne jedoch hier abzuspringen...).

Mittwoch, 4. März 2009

Uganda, Miscellaneous I

Das Hemd regiert. Die Kleidung ist hier, mehr noch als in der Schweiz, ein gewichtiges Statussymbol. Man studiert an der besten Uni des Landes, entsprechend kleidet man sich. Als europäischer Austauschstudent ist man mit seinen Shorts und einem T-Shirt ständig underdressed und wird ab und an auch drauf angesprochen. Es ist nicht unüblich, sich auch bei tropischer Hitze in Schale zu werfen, Krawatte inklusive. Meine kleine Spontanstudie während der letzten Vorlesung hat ergeben, dass 85% der Männer ein Hemd tragen; kein Freizeithemd jedoch, sondern eines jener edlen Stücke, das ich zuhause für eine Hochzeit oder die Solätte anziehen würde. Kurze Hosen trägt niemand, auch Sandalen sind nicht üblich. Anfangs habe ich noch versucht, mich anzupassen und brav jeden Tag meine Jeans und Schuhe angezogen – bei 30ºC. Nach einigen schweissnassen Erfahrungen habe ich diese Form der Integration mittlerweile aber aufgegeben.
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Die Schweiz in der Vorstellung des typischen Makerere-Studenten. Die Schweiz ist den meisten Studenten ein Begriff hier. Scheinbar wird in der Vorschule im Geographieunterreicht unter anderem die Schweiz behandelt, vorwiegend der Alpen wegen. Ansonsten weiss man ungefähr Folgendes über uns: Uhren, Reichtum, Berge und Kälte, Djourou und Senderos. Käse und Schweizer Schoggi werden hier nicht verkauft, es sind die englischen, nicht die Schweizer Banken, die den ugandischen Markt prägen, Tennis und Federer werden kaum mitverfolgt und der politische Sonderfall Schweiz ist ebenfalls weitgehend unbekannt. Man kennt Geneva, vielleicht auch Zürich, nie jedoch Bern. Man kennt mindestens zwei Schweizer Fussballer (die Hälfte aller Ugander sind Arsenal-Supporter), vielleicht auch den FC Basel. Und meist kommt nach der Frage nach meiner Herkunft bald schon die Feststellung: „It’s a very peaceful country“. Das mag stimmen; insbesondere, wenn man aus afrikanischer Perspektive nach Europa rüberblickt.
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Premier League. Das Wochenende des ugandischen Herrn ist meist unmittelbar mit Fussball - englischem Fussball - verknüpft. Und da die Organisatoren der Premier League die Spiele gestaffelt ansetzen, ist es für den geneigten Fussballfan möglich, den ganzen Samstag wie auch weite Teile des Sonntags vor der Glotze zu verbringen. Als veritable Strassenfeger manifestieren sich jedoch nur die Spiele von ManU, Arsenal, Liverpool oder Chelsea. Spielen sie, ist nicht nur in den unzähligen Sportbars im Quartier, sondern auch vor den zwei Fernsehern im Hostel ordentlich was los. Man kennt die Spieler, die Tabellensituation, die Stärken und Schwächen der spielenden Teams. Ein Expertentreffen. Und selbstverständlich lässt man sich auch die Champions-League-Partien, die hier erst um 23 Uhr beginnen, nicht entgehen. Die Premier League ist ein Imperium. Sogar meine koreanischen und japanischen Mitstudenten kennen den Kader von Arsenal besser als ich…
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Rolex und Nile. Ugandisches Essen ist recht langweilig. Cassava, eine fade Wurzel, Posho, eine Art Süsskartoffel, Matooke, gemantschter Kochbananenbrei und schliesslich Reis stellen die Hauptspeisen dar. Dazu gibt’s Bohnen, Hühnchen, Rind oder Erdnusssauce. Und Chips, also Pommes Frites. Pasta ist nur in den besseren Restaurants erhältlich. Zum Glück aber gibt’s zudem Rolex, der ugandische Falafel! Ein Cabati (Fladenbrot) mit einer Ei/Tomaten/ Zwiebel/Avocado/Kabis-Füllung. 800 Schilling, 40 Rappen. Das soll zwar, wie die europäischen Austauschstudentinnen öfters klagen, aufgrund des hohen Fett- bzw. Ölgehalts dick machen, schmeckt aber trotzdem gut bzw. besser als vieles, was man hier sonst so kriegt.
Überzeugender kommt da schon das lokale Angebot an Getränken, namentlich an Bier, daher. Landesweiter Favorit ist das Nile-Beer, gebraut mit Nil-Quellwasser. Es schlägt nicht nur die lokale Konkurrenz (Club und Bell), sondern auch die meisten Schweizer Biere um Längen.
Getränketechnischer Höhepunkt des bisherigen Aufenthalts war denn auch zweifellos der Genuss eines Nile-Biers an der Quelle des Nils. Auf obigem Bild wurde der bedeutende Moment fotografisch festgehalten.
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Von überzogener Selbstkritik zur verblendeten Selbstliebe. Die Qualität der von mir belegten Kurse variiert stark. Und nicht nur sind grosse Unterschiede bezüglich der rhetorischen, pädagogischen und intellektuellen Fähigkeiten der Lecturer auszumachen, sondern genauso werden recht unterschiedliche Inhalts- und Denkansätze vermittelt. Während unser Social Anthropology-Lecturer auf haarsträubend unsachliche und generalisierende Art alle Mzungus (Weisse) für die Probleme Afrikas verantwortlich macht und mir durch seine Arroganz und Ignoranz regelmässig die Laune versaut, suchen und sehen etwa die Politologie-Professoren die primären Ursachen der Misere vorwiegend bei sich selbst. Die Selbstkritik ist teilweise aber derart scharf und fundamental, dass sie beinahe schon ins Rassistische übergeht. Eine Art afrikanischer Eurozentrismus, der in dieser Form ebenfalls kaum zur Besserung der Probleme beitragen dürfte. Auf diesem riesigen Meinungsbuffet irgendwas Wahres zu finden ist schwierig. Und die Verlockung, sich von den süssen Düften der einfachen Erklärungen und Lösungsansätze verführen zu lassen gross.

Abschliessend noch einen Verweis auf diesen Text.