Regä, Studentin und ReisendeWas ich mag:
Morgens noch einmal einzuschlafen, um den Träumen Fortsetzung zu gewähren, morgendliche Ruhe, Nächte die kein Ende haben, Übermut, Kaffe im Bett zu trinken, die ersten Frühlingstage, Shows nach der Show, in Erinnerungen schwelgen, den Blick über eine Weltkarte schweifen lassen, die Würde von alten Menschen, alte Freunde treffen, Menschen die sich verändern, Entwicklungen des Lebens, an einem fremden Ort weit weg von zu Hause einzuschlafen, Neckereien, Berührungen, Briefe, Zugfahrtsbegegnungen, Gedichtbände die das Leben begleiten, Bücher allgemein, die das tun, tropische Gewitter, im Zug zu schlafen, Lebensgeschichten, Neuanfänge, kalten Orangensaft nach einer durchgezechten Nacht, Gastfreundschaft, die kühle Aare an einem heissen Sommertag, die graue und schnell fliessende an einem Regentag, Flüsse allgemein, die Unschuld Berns, die Lebendigkeit von Luzern, auf dem Feuer Pizza zu backen, Leuchttürme, Burgen, Nostalgie, aber nicht zu viel, Teekulturen, afrikanische Nächte, in Menschen ein Zuhause zu finden, Reiselust und Heimweh, der Geruch von frischer Wäsche, Strassenlampen in einer Nebelnacht. Dass alle Dinge zwei Seiten zu haben scheinen.
Was ich nicht mag:
Baustellenlärm, Berechnetheit in menschlichen Beziehungen, Leute, die mir den Sauerstoff rauben, die selben Gespräche immer wieder zu führen, was- wäre- wenn Überlegungen, ausgenützte Gastfreundschaft, wenn die Sonne scheint während ich schlechte Laune habe, meine Unschlüssigkeit, mich nicht aufraffen zu können, Zerissenheit, Dinge zu sagen, die nicht gesagt werden sollten, meine zeitweise Unkontrolliertheit, Restaurantbesuche am Mittag, Small- Talk und Drei Küsschen, Small Talk und Drei Küsschen- Verwehrer, zu viel Aufgedrehtheit, verzweifelte Männer morgens um vier, Menschen, die behaupten, dass es keine Liebe gibt, Pseudo-Alternativ-Kultur, CD-Sprünge, Whisky- Trinker, Freunden von früher nichts mehr zu sagen zu haben, Unterwürfigkeit, an einem fremden Ort, weit weg von Hause aufzuwachen, Festgefahrenheit, Menschen, die geführte Gespräche vergessen, zu viel Sozialromantik, Sportsendungen, vor allem das Geräusch von Formel 1. Dass alle zwei Dinge Seiten zu haben scheinen.
Sie dürfen sich immer noch alle Bekennen.
„Wer ein Optimist ist, soll verzweifeln. Ich bin ein Melancholiker, mir kann nicht viel passieren. Zum Selbstmord neige ich nicht, denn ich verspüre nichts von jenem Tatendrang, der andere nötigt, so lange gegen die Wand zu rennen, bis der Kopf nachgibt. Ich sehe und warte. Ich warte auf den Sieg der Anständigkeit, dann könnte ich mich zur Verfügung stellen. Aber ich warte darauf, wie ein Ungläubiger auf Wunder. Liebes Fräulein, ich kenne sie noch nicht. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, möchte ich Ihnen für den Umgang mit Menschen eine Arbeitshypothese anvertrauen, die sich bewährt hat. Es handelt sich um eine Theorie, die nicht richtig zu sein braucht. Aber sie führt in der Praxis zu verwendbaren Ergebnissen.“
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Neulich war ich in Sumiswald, beim Zivildienst. Da sassen drei Leute, hörten, was sie hören wollten, schlossen aber meist die Ohren. Da dachte ich: Wenn Menschen keine Menschen wären, wären sie wohl Pflanzen. So unbeweglich. Kriege finden nunmehr ohne mich statt, es melde sich, wer schöne neue Kampfstiefel will. Ansonsten gibt’s in Zürich täglich ein vielfältiges Sinnes- und Geistesmenü, das ich willig verschlinge. Manchmal denk ich mir dabei: Pass auf, dass du dich nicht daran verschluckst, oder es zu stark würzest. Heute Morgen hab ich so beispielsweise als Proband gedient. Eine psychische Untersuchung über Schmerzempfindung. Also: Geld für Schmerz. Dreissig Franken die Stunde, sehr profitabel. Und so lebensnah. Schliesslich bin ich gestern Abend einem Herrn begegnet, der mich fragte: weshalb gibt es keinen Stern, der auch untertags glänzt? Ich dachte: weil sich die Erde dreht, wohl…
Da steh ich und höre, schliesse die Augen und erschliesse mich dieser überufernden Sinnlichkeit, der gewaltigen Kraft, die sich vor mir ausbreitet, in mich übergeht, mich mitnimmt, auf Reisen, um die Welt und weit über sie hinaus. Da steh ich und lausche, längst nicht mehr nur mit Ohr und Ohr, vielmehr mit Herz, mit Seele, erfühle diese innere, ansonsten unbewusste Grenzenlosigkeit, Leichtigkeit, Freiheit. Das rationale Weltkonstrukt stürzt ein, erbricht sich in einem Feuerwerk von tausend Farben, Tönen, Figuren. Ich brenne. Fühle, wie die Berge kleiner werden, das Tal sich erhebt, Berg wird, Aussichtsturm, Wolkenschloss. Es ist ein Blick hinaus, eine kleine Ahnung und Hoffnung dessen, was verborgen liegt, was flüsternd und kaum hörbar zu uns spricht. Nicht festzuhalten, nicht erklärbar.
Auch Wolken gibts hier nicht, Tag und Nacht können wir der Unendlichkeit zuwinken. Zürich expandiert die Wolkenlosigkeit, das ewige Schönwetter. Ja, die klare Sicht eben... Ansonsten wird die dazugehörige Portion Ernüchterung natürlich mitgeliefert.