Freitag, 22. Juni 2007

Postulat wider die Gummisohle

Ein scharfer Beobachter erkennt am Zustand der Schuhe immer, mit wem er es zu tun hat.
Honoré de Balzac

Jemand hat mir kürzlich erklärt, dass Schuhe ein kleines, wenn auch nicht unbedeutendes Abbild des Charakters ihres Trägers darstellten. Dieser Weisheit folgend habe ich meine Aufmerksamkeit während den letzten Tagen vermehrt auf dies entsprechende Utensil gerichtet und sogleich erstaunliches, ja dramatisches feststellen müssen. Zeitgleich zum Einzug des Sommers hat sich meiner Umwelt nämlich ein unverständlicher und mich einigermassen aufwühlender Modestil bemächtigt: Der Flip-Flop.
Nicht, dass mich dieses gummige Sommersöhlchen prinzipiell ereifern würde, vielmehr neckt mich der Umstand, dass mit der inflationären Verbreitung des merkwürdig benannten Schuhs eben ein Aussterben anderer, guter, robuster, geschichtsträchtiger und unheimlich bequemer Schlüpfer einhergeht.
Ja, ja, natürlich, ich spreche vom Birkenstock. Diese aussergewöhnliche Sandale besteht aus natürlichen Materialien, garantiert durch Form, Verarbeitung und Ergonomie einen allzeit stabilen Stand, lässt sich der Breite des Fusses bequem anpassen, erscheint im ästhetisch zeitlosen Design als beständiger Wert und verfügt über eine vitale, ermunternde, gemütliche und vertrauenserweckende Ausstrahlung. Ein Charakterschuh. Mit Ausnahme meines geschätzten Kommilitonen Marco (ein Innerschweizer mit einem Auge für sinnvolle und erhaltenswerte Traditionen), der öfters eine Ausführung in braunem Naturleder trägt, war an der gesamten Uni Zürich kein einziger gleichgesinnter Birkenstock-Freund auszumachen. Natürlich bin ich kein Gegner des Fortschritts, anerkenne die Notwendigkeit der Ablösung und Weiterentwicklung gewisser Produkte, die logischen Mechanismen der Moderne, des Fortschritts. Meine Motive sind denn auch keinesfalls (hauptsächlich) ideologischer Natur, vielmehr wende ich mich als Funktionalist und Freund der bequemen Gangart ans Volk. Schwer liegen mir nämlich gewisse Umstände auf der Seele: Frauen, die ihre Füsse mühsamst mit transparenter Folie zukleistern, um den Flip-Flop blatterfrei tragen zu können; junge Burschen, die durch ihre instabile, ungesunde und entenhafte Gangart jedem Ergonomiekenner schlaflose Nächte bereiten; schliesslich die chronische Verkrümmung des grossen Zehs und seines Nachbarn. Und – womit wir uns der Moral der Geschichte nähern - all dies in Anbetracht einer existierenden, altbewährten, jedoch aussterbenden Alternative.
Ab all dieser ernüchternden Einsichten und Tendenzen soll mein Ziel jedoch nicht das Klagen und Bemängeln sein, vielmehr will ich dem Birkenstock durch aktive Förderung meinerseits zu einem Comeback verhelfen. Ich werde deshalb, so mein ausgefeilter und strategisch brillianter Plan, jeden Birkenstockträger, mit dem ich in Kontakt trete, zu einem Bier in guter Stube begleiten, sämtliche Kosten und den Part eines freundlichen Gesprächspartners übernehmen. Proscht.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

wenn trotz prüfungen noch solch kultige einträge entstehen, dann, ja dan ist die welt wohl trotzdem noch i n ordnung. auch proscht.

Anonym hat gesagt…

und was ist mit den tewas? ebenfalls fussfreundlich, schnell trocknend, dank band oberhalb ferse sogar zum spurt geeignet ...

Anonym hat gesagt…

ja klar habe ich birkenstöcke, aber die trägt man doch ausschliesslich zu hause. an der uni oder sonstwo ausserhalb der eigenen vier wände haben meine birkenstöcke gar nichts zu suchen. sonst könnte ich mir ja gleichwohl die haare verfilzen und glöcklein ans fussgelenk binden.

Anonym hat gesagt…

auch anonyme leute dürfen die ebiträge erst lesen und dann kommentieren...

Anonym hat gesagt…

Birkenstock über alles!!!!!!

Mit Zehenstegs durch den Sommer

Birkenstock Clogs für jede Gelegengeit

Schuhe für Fußball-Fans
unter:

http://www.gehen.com/phtml/birkenstock

Christian 55 hat gesagt…

Was ich mag: Aufbrechen, egal wohin. Menschen mit Herz. Reife, sonnenwarme Tomaten. Bäume. Wälder. Hüfthohes Gras. Wolkengebirge. Den Geruch von Schnee in der Luft. Kochen für Freunde, die Vorbereitungen, das Einkaufen. Den Üetliberg. Den tiefblauen Oktoberhimmel. Elefanten. Rockmusik. Den Mond. New York im Februar. Rotwein. Menschen mit Humor. Berge am Horizont im Gegenlicht. Gespräche über Gott und die Welt. Die meisten Romane von T.C. Boyle. Unterwegs sein. Gewitter nach einem heissen Sommertag, von einem sicheren Ort aus genossen. Vögel. Venedig im Dezember. Bücher von Franz Kafka, Haruki Murakami, Jeremias Gotthelf. Bali. Alte Gotthelfverfilmungen, Schaagi Streuli als Polizist Wäckerli, Alfred Rasser als HD Läppli. Margrit Rainer. Nachmittagsvorstellungen im fast leeren Kino. Marokko. Lampenfieber. Feuerwerk. Nach Hause kommen, egal woher.


Was ich nicht mag: Arroganz, vor allem, wenn sie mit Ignoranz gepaart ist. Löcherige Schuhe, nasse Füsse. Menschen ohne Herz. Bissige Hunde, Mücken. Gewitter im Hochgebirge oder auf freiem Feld. Militärischer Drill, Gruppenzwang. Menschenmassen, lange Schlangen, Anstehen für irgendwas. Stickige Hitze, Eingeschlossensein. Gewalttätige Menschen. Schmerz. Ohnmacht angesichts der Schmerzen anderer. Feigheit, vor allem meine eigene. Meine beiden linken Hände. Bockige Computer, überhaupt Geräte, die ihre Funktion verweigern. Meine Ungeduld angesichts solcher Geräte, überhaupt meine Ungeduld. Lampenfieber. Musikantenstadl-Musik.

Christian, 52