Vielleicht haben Sie letzte Woche auch so ein Couvert erhalten. Eine Einladung zum Gymball. “Ein Anlass, den Sie auf keinen Fall verpassen sollten!“, steht da drauf. Und spätestens als Ihnen das fettgedruckte Duo Häsler in die Augen stach, wanderte das gut gemeinte Stück Papier auf direktem Wege ins Altpapier. Bei mir war es zumindest so. Vielleicht haben Sie sich dann einige Minuten Zeit genommen und sich an alte Gymerzeiten erinnert. Und an den Tag des Balls. Und die Wochen davor. Wer wie ich das Vergnügen oder die Qual hatte, sein Dasein als Gymeler in einer Frauenklasse zu fristen, weiss wovon ich spreche. Die anderen wahrscheinlich nicht. Und sie werden Folgendes wohl für pure Übertreibung halten. Ist es aber nicht. Fast nicht.
Das dramatische Schauspiel beginnt ungefähr Mitte Dezember. In dieser besinnlichen Zeit sind nämlich aufgrund des bevorstehenden Silvesters besonders viele Glitzerkleidchen im Orsay, Tally Weil und H&M zu finden. Man trifft die pupertierenden Mädchen, vereint zu immensen hysterischen Östrogenrudeln, vorzugsweise an Samstagnachmittagen in Bern auf ihren Beutezügen nach dem optimalen Outfit. Das Ziel dabei ist das Lokalisieren des perfekten Kleids. Denn als Gymeler hat man nicht nur einen überdurchschnittlichen IQ, sondern auch ein besonderes Auge für Ästhetik und Stilfragen. Das perfekte Gymballkleid ist elegant, aber nicht altmodisch, sexy, aber nicht schlampig, dezent, aber nicht langweilig. Daher greifen gut 80% der jungen Damen zu einem schwarzen Kleid. Als Frau kennt man die Grundregel, dass man mit Schwarz nie danebenliegt. Zudem macht es schlank. Und ist mit jeder Halskette kombinierbar. Und schwarze Schuhe finden sich leichter als kornblumenblaue oder lavendelrosenrote. Das Problem ist jedoch, dass selbst die fleissigen Billigarbeiter in Bangladesch und China nicht so viele unterschiedliche schwarze H&M-Ballkleidchen nähen können, wie eigentlich nötig wären. Daher lässt sich an jedem Gymball das stille Drama beobachten, wenn zwei Mädchen mit unterdrücktem Entsetzen feststellen, dass ihr Gegenüber dasselbe Kleid trägt. Natürlich verhalten sie sich an jenem froh gesinnten Abend so, als fänden sie den (nicht allzu erstaunlichen) Zufall unglaublich amüsant und beide witzeln mit ihrer „Zwillingsschwester“ herum, während am liebsten jede der anderen das Getränk in den Ausschnitt kippen möchte. (Besonders jene, die das Kleid in der Grösse L trägt und bei der Musterung ihrer Konkurrentin feststellt, dass es sich bei deren Kleid um eine Grösse M, wenn nicht sogar S handeln muss.)
Am Tag des Balls erreicht die Hysterie in der Frauenklasse ihre höchste Stufe. In den Schultaschen von mindestens 10 Mädchen finden sich keine Spanisch- und Geschichtsbücher sondern, Schuhe, Kleider und Schmuck. Während die Präsenz am Morgen dazu dient sich von der ganzen Klasse den guten Geschmack bei der Kleiderauswahl bestätigen zu lassen, reduziert sich die Anzahl der Schülerinnen am Nachmittag um ca. 70%. Vor dem Gymballabend waren –zumindest in meiner Klasse- stets mehr Absenzen und Halbtage eingetragen als an Tagen vor Physikprüfungen. Diejenigen, die blieben, hatten jedoch an jenen Nachmittagen immer ausgesprochen viel Spass. Besonders mit Herrn Sperisen. Wie hat er doch den Verbleibenden mit seinen zynischen und geradezu dunkelschwarzen Kommentaren zum „Verhalten einer Frauenklasse vor dem Gymball“ aus der Seele gesprochen. Eigentlich sollte er diesen Text schreiben. Aber er hätte wahrscheinlich keine Antwort auf die Frage, was die Damen in diesen 9 Stunden vom Mittag bis zum Abend machen.
Dafür hätte er schon selbst mal an den Gymball kommen sollen. Denn spätestens, wenn man von skurrilen Barbiepüppchen umarmt wird, die behaupten man kenne sich und gehe sogar in dieselbe Klasse, kennt man die Antwort. (ja das war jetzt vielleicht ein kleines bisschen übertrieben. Vielleicht habe ich sie nicht erkannt, weil ich einfach zu bekifft war.) Als Gegensatz zum 9-stündingen Beauty-Marathon gewisser Klassenkolleginnen ist die Renate zu erwähnen, die jeweils bis 21.00 am Migros-Fliessband schufftete, mit der „Bänne“ zum Saalbau flitzte und sich auf der Toilette mal schnell das Ballkleid überstülpte.
Besonders tragisch fand ich ja stets jene Fälle von jungen Damen, die man normalerweise als unscheinbare graue Mäuschen bezeichnen würde, und die sich dann –angestachelt durch Freundinnen, modebewusste Mütter oder Aschenputtel-Kindheitsträume – an jenem Abend in eine schillernde Diva verwandeln, was dann etwa so authentisch wirkt wie der Papst in einem rosaroten Stringtanga. Zu Göläs Mutmacher „Ä Schwan so wyss wie Schnee“ vergreifen sich die Entlein in unkontrollierter Weise am Schminkkasten ihrer Mutter, flechten in stundenlanger, mühseliger Arbeit ihr Haar zu imposanten Seemannsknoten, stopfen sich mit Toilettenpapier das zu wenig üppig geratene Dekoletee aus, üben nochmals die Walzertanzschritte vor dem Spiegel….. um dann den ganzen Ball-Abend, sich sichtlich unwohl fühlend, im verstecktesten Winkel am Tisch zu sitzen und darauf zu warten, vielleicht doch noch vom Traumprinzen aus der Prima zum Tanzen aufgefordert zu werden. (Doch der tanzt natürlich mit jener, die dasselbe Kleid in Grösse S trägt.)
Nun ja. Was ich ja eigentlich sagen wollte: Ich gehe morgen an den Gymball. Nicht ganz freiwillig muss ich zugeben. Man hat so seine Verpflichtungen als Aemme-Zytigs-Mitarbeiterin.
Was soll ich anziehen?
Donnerstag, 15. März 2007
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4 Kommentare:
und und und, wie war es?
liebe tanja, liebe tanzfreunde. anfangs noch guter dinge, mussten wir schliesslich feststellen, dass wir schon zu den alten hasen gehören. entäuschung pur dieser gymball! massenbesäufnis und lästereien, dass es einem ganz flau im magen wird. so muss sich wohl auch frau habashi (könnte sein, dass sie anders heisst) gefühlt haben. gibt sie doch jahr für jahr ihre tanztips an lerneifrige jugendliche weiter, ohne dass die anstrengung früchte trägt. die burgdorferjugend hat weder taktgefühl, noch grazie und in anbetracht der tatsachen sehen wir immer mehr dominanz der frauen im führen. so hat mir doch der moris fast eine übergehauen, als ich mit ihm quer übers parkett getangotanzt bin. "he i fühere man...nei aber aui luege üs a- du bisch huere pinlech!!...nei aber i wott doch nid mit der renat ir aemmezytig erschine, we das mini mueter xeht..." s duo häsler ging dann mehr oder weniger unter und die singende dame(die übrigens zu älteren zeiten noch nicht dabei war) drückt doch unbeeindruckt einen alten klassiker nach dem anderen raus. bei 'simply the best' und 'time of your life' war die masse nicht mehr zu bremsen. die 7cm schuhe werden in hohem bogen weggeschleudert und es wird getanzt als gäbs keinen morgen.
Sehr schöne Worte. Chapeau!
Ein Leidensgenosse aus der Zentralschweiz (betreffend Frauenklasse).
Hochachtungsvoll,
Koebi Knaller
das kann doch nur die sarah sein. nein nicht cousine dagles, sondern die jazzschule-sarah...gäu
hace mucho tiempo que no sé nada de tí!
meini mau wider zum wauter, s wär höchschti zyt-du irishcoffeeverräterin!!odr dä friti giz im schmidächäuer ä feschtätä, de chunnsch doch grad denn u de mache mr z welä-schneuer-mit-nume-eim-bei.
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