Dimitri steht am Strand und blickt auf den Ozean. Ruhig und grünlich blau breitet sich dieser grosse Urteppich vor ihm aus, spielt die Musik der Wellen, vom Moment, wo Meer auf Land trifft. Die Sonne senkt sich, es wird Abend und kühler, Venus kündigt bereits die Nacht an. Das goldene, sanfte, harmonische Herbstlicht verwandelt das Wasser in ein Heer glitzerner Tänzerinnen, das Dimitri als Abbild der Welt erscheint, als ewiglich sich verändernde Grundsubstanz, in Form und Farbe in jedem Augenblick neu erfunden und einzigartig, vergänglich jedoch – und vielleicht deshalb umso schöner, berührender. Dimitri mag das Meer, diese Unendlichkeit an Wasser, die ihm Respekt, Angst und Freude zugleich bereitet, ihm stets aufs Neue Demut und Bescheidenheit lehrt, und ihm eine Ahnung von realer Schönheit schenkt.
Er denkt zurück an seine ersten Ferien am Strand, an die grossen Sandburgen und tiefen Badewannen, die er gebaut hatte, an Begegnungen mit Fischen und Fischern, Quallen, Kindern, Erwachsenen, mit fürchterlichen Sonnenbränden, an die Freude an einer kalten Glace, an Erlebnisse und Entdeckungen mit der Taucherbrille. Und er denkt an seinen frühen Kindheitstraum, den Traum einer eigenen Insel, nicht weit zwar vom Festland, doch aber losgelöst von der grossen Welt, verbunden nur durch ein Ruderboot. Schafe hatte er sich gewünscht auf dieser Insel, und ein kleines Haus mit einem runden Turm, unter dem Dach sein Schlafzimmer mit Rundumsicht. Ein Garten auch, sowie eine Veranda am andern Ende der Insel, gleich über den herabfallenden Klippen, genauso wie der Bug eines Schiffes.
Das Meer hat sich mittlerweile zurückgezogen, sodass Dimitri weitergeht, hinaus, dahin, wo vorher noch Meer gewesen ist, und wieder Meer sein wird. Der Wind bläst ihm durchs Haar, es ist merklich kühler geworden. Zwei, drei grosse Schiffe kreuzen den Horizont, lautlos und langsam ziehen sie hinaus in den Ozean, bis sie schliesslich in der Dunkelheit verschwinden.
Dimitri ist älter geworden, seine Träume haben sich gewandelt, weiterentwickelt und verändert. Doch sie sind nicht verschwunden. Er zieht seine Schuhe an, ist müde und sehnt sich nach der wohligen Wärme seines Bettes. Das schwache Mondlicht deutet Dimitri den Weg zurück, hinauf zur Strasse, die ihn nach Hause führt, dahin, wo er seine Zelte aufgeschlagen hat.
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1 Kommentar:
schöne geschichte, dimitri könnte mir verwandt sein
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