An Einem Tag Wie Diesem von Peter Stamm
Andreas hat Germanistik studiert und ist (was soll man auch sonst machen?) Gymnasiallehrer (wie der mir sehr fehlende Herr Sperisen). Die Gleichheit der Tage ist sein Halt, Leere ist sein Leben; eine endlose Abfolge von Schulstunden, von Zigaretten und Mahlzeiten, Kinobesuchen, Treffen mit Geliebten und Freunden, die ihm im Grunde nichts bedeuten. An einem Tag wie diesem packt ihn eine Sehnsucht, die zwischen Heimweh und Fernweh nicht mehr unterscheidet. Er wirft alles hin, verkauft seine Wohnung kündigt den Job und seinen zwei Geliebten, um nach einem halben Leben, das keines war, zu der Frau zurückzukehren, die er als 20-Jähriger geliebt hat. Peter Stamm erzählt von der Liebesunfähigkeit und dem brennenden Verlangen nach dem grossen Gefühl, er erzählt von der Wirklichkeit, die wie im Traum vergeht, bis man sein Leben selbst in die Hand nimmt.
"Andreas leerte den Wandschrank im Flur. Er wunderte sich, wie viele Dinge er besass, die er längst vergessen hatte. Ganze Schachteln voller Notizen, Briefentwürfe, Unterlagen. Er blätterte darin, las das eine oder andere und warf dann alles weg ohne zu zögern. Er fand eine Schachtel mit Briefen und Postkarten von Freunden, von seiner Mutter. Briefe, die sie ihm während seiner Zeit bei der Armee geschrieben hatten und in denen sie Alltägliches erzählte, von Krankheiten, Ausflügen, Besuchen. Die letzten Spuren eines Lebens, das ausgelöscht war. Spuren, die keine waren, nichts als Worte ohne Gewicht. Die Briefe von Fabienne lagen zuunterst in der Schachtel. Er war überrascht wie belanglos sie waren. In einem Brief steckte eine Fotografie, auf der Fabienne zu sehen war inmitten einer Gruppe von jungen Leuten. Alle trugen bunte Papierhüte und lachten betrunken in die Kamera. Auf der Rückseite des Bildes stand: "Alles Gute zum neuen Jahr!" Alles Gute zu einem neuen Jahr, das längst vorüber war und an das sich Andreas nicht erinnerte. Er wickelte Fabiennes Briefe wieder in das Packpapier und legte das Packet auf den Tisch. Die übrigen Briefe warf er weg."
Am Ende bleibt die Frage: Keimt die Leere in der Wiederholung des Immergleichen? Oder lauert sie jenseits davon? In der Angst vor der Unordnung, der Veränderung, dem Chaos, in der Angst vor dem Tod?
Antworten darauf gibt der stämmige Peter bei Kuchen und Kaffee in Winterthur
Mittwoch, 21. Februar 2007
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