Zurück in meiner kleinen Bleibe koche ich mir einen ugandischen Kaffee und versuche, die eben gelernten Luganda-Vokabeln in Erinnerung zu rufen. Beigebracht hat sie mir Staven, ein ugandischer Mitstudent (in social anthropology), der mir die hiesige (meistverbreitete) Landessprache zu lehren versucht, während ich ihm ein wenig Deutsch beibringe.
Die erste Uni-Woche ist mit dem heutigen Tag (in Uganda beginnt das Studenten-Wochenende erst am Sonntag) zu Ende gegangen; Zeit, kurz zurückzublicken und auf diesem Wege ein paar gewonnene Eindrücke nachhause zu tragen.
Kampala ist wie Rom und Istanbul auf sieben Hügeln gebaut worden, wobei auf der westlichsten Anhöhe der Campus der Makerere University zu finden ist. Das Uni-Gelände, das gleich neben meiner Unterkunft liegt, gleicht einem ausgedehnten, grünen Park, der sich über die umliegenden Quartiere erhebt und so gleichzeitig Knoten- und Treffpunkt dieser darstellt. Unzählige Gebäude, Fakultäten, Studentenunterkünfte, Restaurants, Strassen, Wege, Pfade und Beschilderungen sowie ein multikulturelles Sammelsurium von weit über 30 000 Studenten, Lehrenden, Forschenden, aber auch Geissen, Affen und unzähligen Störchen ergeben in ihrer Übereinkunft das etwas chaotische, sehr lebhafte und doch müssige, fast durchwegs sympathische Bild dieser afrikanischen Universität.
Die meisten der von mir gewählten Kurse – Ort und Lokalität ihrer Durchführung sind nicht etwa im Internet abzurufen, sondern auf einer zentralen Tafel auf dem Campus vermerkt – werden, so wurde bald offenbar, erst nächste Woche beginnen. „The professors are either still in their honeymoon or just lazy“, meinten meine Mitstudenten. Tatsächlich scheint’s durchaus nicht ungewöhnlich zu sein, dass die Studentenschaft öfters und gerade während den ersten Wochen vergebens auf die Lehrkraft wartet - oder aber die Lehrperson einen leeren Saal vorfindet, wie das heute geschah, als sich ein wartender Professor bei mir und Staven über das Verbleiben seiner Studenten erkundete.
So hab ich diese Woche denn auch vorwiegend eins getan: gewartet. Dies jedoch nicht allein, sondern meist zusammen mit einigen andern, ähnlich optimistischen Mitstudenten, deren Bekanntschaft ich bereits während dieser ersten Woche sehr zu schätzen gelernt habe. Die Studentenschaft besteht hier, nebst einigen Kongolesen, Ruandern oder Tansanier vorwiegend aus Kenianern und Ugandern. Diese haben in äusserst freundlicher, offener und neugieriger Art die Anwesenheit eines Mzungus (Weissen) im Hörsaal zur Kenntnis genommen und mich, wie auch zwei Norwegerinnen, mit denen ich einige Kurse absolviere, bald schon in ihren Kreis der afrikanischen Politologen eingeführt. Es ist denn auch eine andere, neue und durchwegs erfreuliche Seite Afrikas, die ich hier erleben und entdecken darf. Die besten Studenten Ostafrikas, die sich auf dem Makerere-Hügel Kampalas zusammenfinden, stellen einen interessanten Kontrast zu den Ugandern und Afrikanern dar, die ich hier auf dem Markt und in den umliegenden Dörfern treffe – und die ich zuvor auf den beiden Reisen in Westafrika traf. Erstaunlich denn wie offen, unverhofft und deutlich die Kritik der (staatlich bezahlten) Lehrkräfte und Studenten Richtung Regierung und politischer Elite geht. Erstaunlich, welch Potential und lebendiger Wille in dieser gebildeten Schicht auszumachen ist. Und erfreulich auch, dass sich diese Dynamik mit dem Stolz verbindet, Afrikaner zu sein, hier, in seiner Heimat, die Dinge zum Besseren verändern zu wollen.
Die bereits stattfindenden Kurse (z.Bsp. „African International Relations“ oder „Conflict Management and Peace Keeping“) haben (in pädagogischer Hinsicht) in etwa jenem entsprochen, was ich erwartet hatte: viel Frontalunterricht und primär Wissensübermittlung (anstelle der in der Schweiz geschätzten reflexiven Wissensaneignung) – Phänomene, denen ich in Brüssel in ähnlicher Form bereits begegnet bin, die hier aber auch aufgrund der mangelnden technischen Möglichkeiten noch ausgeprägter vorzufinden sind. Leider ist die Social Science-Fakultät, an die auch unser Politik-Department angegliedert ist, das älteste Gebäude auf dem Campus und sieht neben den neuen, modernen IT-Fakultäten doch etwas schäbig aus. Nichts desto trotz strahlen die Räumlichkeiten einen gewissen afrikanischen Charme aus und erinnern aufgrund ihrer Architektur etwa an alte Kolonialbauten.
Ja, es gefällt mir hier. Jeder Tag bringt neue Überraschungen, neue Menschen, mit denen man ein paar Worte wechselt oder auch mal ein Tee trinken geht. Nach und nach erschliesst sich mir diese neue, unbekannte Welt zu einem Konstrukt aus kleinen, mit jedem Tag weniger fremden Teilen, aus bekannten Gesichtern, gewonnenen Freunden, bekannten Wegen, Gebäuden, einigen Sätzen in der neuen Sprache, der wichtigen Empfindung, Willkommen zu sein und einem eigenen Zimmer schliesslich, als Ort der Ruhe und des Rückzugs. All das, so hoffe ich, schliesst sich alsbald denn zum Gefühl des Zuhauseseins zusammen, auch, wenn Zuhausesein vorübergehend noch stets ein temporärer Zustand, ein dynamischer Prozess ist – und vorerst bleiben muss.
Abschliessend bleibt mir nur, allen einen recht schönen Valentinstag zu wünschen. Dieser kommt hier einem nationalen Grossereignis gleich, füllt alle Zeitungen und ist seit Mitte Woche erstes Gesprächsthema. „Red Pepper“, das lokale Boulevardblatt, empfiehlt dem Mann dieses Jahr, seine Liebste mit Selbstgemachtem zu überraschen: „Many babes would agree that all the gold and diamonds in the world is no match for a painting, a card and a handmade accessory.“ Der Postmaterialismus hat Afrika erreicht.
Bild: Blick von einem Balkon unseres Hostels bei Sonnenuntergang.
Samstag, 14. Februar 2009
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2 Kommentare:
mehr davon Kollege.Danke!
da kann ich nur zustimmen. schön zu lesen,dass es dir gut zu gehen scheint. e gruess usem chaute,aber sunnige februar-bärn...
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