7. April 2009
Ich bin der erste, der heute aufsteht. Während ich noch bis vor ein, zwei Jahren ohne Probleme bis Mittag schlafen konnte, wache ich neuerdings immer spätestens um acht Uhr auf – ganz ohne müde zu sein. Das hat entweder mit dem Klima hier zu tun, oder aber mit meinem Alter. Das erste Vierteljahrhundert hab ich ja bald schon hinter mir… Jedenfalls gehe ich schwimmen, ein Morgenschwumm (dieses Wort ist hiermit offiziell erfunden) ist etwas vom besten, was es überhaupt gibt. Wir, zehn Austauschstudenten aus Norwegen, Japan, Korea und der Schweiz sind seit zwei Tagen auf Banda Island, einer kleinen Insel im Viktoriasee, auf der Dominic, ein merkwürdiger, ständig 87prozentiger selbstgebrauter Bananenschnaps trinkender Brite, sein Aussteiger-Dasein auslebt und ein kleines Hotel bewirtschaftet. Gegen Mittag geht’s nach Hause Richtung Kampala, wir werden von einem kleinen Transportschiff mitgenommen. Ich hab einige Vorlesungen verpasst, was jedoch nicht heisst, dass ich etwas verpasst hätte. Gegen Abend treffen wir im kleinen Fischerhafen in der Nähe von Entebbe ein, wo wir auf den Schultern von kräftigen Trägern die 15 Meter bis zum Ufer getragen werden, für 500 Schilling. Ein merkwürdiges Bild. Mit dem Matatu, dem Kleinbus, geht’s dann zurück nach Kampala, Umsteigen im Old Taxi Park, gegen acht Uhr sind wir zurück in Wandegeya, unserem Quartier. Ich esse mal wieder alleine im kleinen Restaurant im Hostel, bin nach der vielen Gesellschaft der letzten Tage froh um die Ruhe. Später dann Champions League, Arsenal und ManU, dazu ein Nile-Bier und Erdnüsse.
8. April 2009
Ich geh morgens um 10 an die Uni, die Vorlesung fällt jedoch ein weiteres Mal aus, sodass ich im International Office im Internet nach Flugverbindungen in die USA suche (Nebenbei: Hätte eigentlich jemand Lust, im August mit mir nach Kalifornien zu reisen?). Neben mir schläft der freundliche Angestellte mit gesenktem Kopf auf der Tischplatte, was er eigentlich fast immer tut, wenn ich hierherkomme. Eine schöne Stelle hat der. Und eine sehr zweifelhafte Arbeitsmoral, was jedoch niemanden zu stören scheint. Am Mittag dann geht’s zur zweiten Vorlesung, während der wir über die anstehenden Verfassungsänderungen in Uganda diskutieren. Museveni ist gerade daran, bei den Präsidentschaftswahlen vom Majorz- zum Proporzsystem umzustellen. Die neueren Umfragewerte lassen vermuten, dass er 2011 kaum mit einem absoluten Mehr der Stimmen rechnen kann. Zudem ist er laut aktueller Verfassung zu alt für eine weitere Kandidatur – auch dies muss geändert werden. Verfassungsänderungen können in Uganda durch eine einfache Mehrheit im Parlament bewirkt werden – keine allzu grosse Hürde für die allmächtige Regierungspartei (NRM). Am Nachmittag habe ich einen wichtigen Termin bei der NGO UCICC (Ugandan Coalition for the International Criminal Court), bei der ich mich für ein Praktikum beworben habe. Ich fahre mit dem Mototaxi („Boda-Boda“) raus nach Ntinda und suche, zusammen mit dem hilfsbereiten Fahrer, über eine Stunde nach der Adresse. Als ich schliesslich am Ort eintreffe, wartet ein netter Herr auf mich, der mich herzlich willkommen heisst. Nach einem kurzen Gespräch bin ich sogleich angestellt, nächsten Mittwoch sollts bereits losgehen. Ich werde mich während ein bis zwei Tagen die Woche mit der Menschenrechtssituation in Uganda befassen, im Spezielle auch mit den Möglichkeiten und Schwierigkeiten des ICC im Zusammenhang mit dem langjährigen Krieg im Norden des Landes (gegen den Rebellenführer Joseph Kony ist seit einiger Zeit ein ICC-Haftbefehl hängig), einige Recherchen durchführen, Berichte verfassen oder ergänzen. Ich freue mich auf die Arbeit, auf diese neue, andere, praktischere Perspektive, auf das Kennenlernen der Leute, auf eine Vertiefung meiner Kenntnisse in diesem Bereich.
Es geht zurück nun zur Uni, wo ich mit June, dem Koreaner, eine Partie Billard spiele und kläglich verliere. Später dann erneut Champions League, bevor es gegen Mitternacht zu Bett geht.
9. April 2009
Am Morgen geht’s früh auf, zu Denis rüber, der meinen von Viren befallenen Computer repariert hat. Er hat mir eine merkwürdige Raubkopie von Windows XP installiert, die Windows Music Edition heisst und mir einen merklich instabilen Eindruck hinterlässt. Ich bin trotzdem froh, dass ich wieder arbeiten kann, habe ich doch in den vergangenen, Computer-freien Tagen gemerkt, dass es mir schlicht nicht mehr gelingen will, Texte von Hand zu schreiben. Am Nachmittag schliesslich geht’s an die Uni, zur Vorlesung über Conflict-Management und Peacekeeping. Es wird über die UNO-Charta referiert und über die internationale Anarchie und Enforcement-Problematik, alles bekannte Dinge, hier jedoch aus afrikanischer, durchaus unterschiedlicher Perspektive betrachtet. Nach der Vorlesung treffe ich meine Mitstudenten, viele habe ich bereits kennengelernt in diesen Wochen, einige von ihnen sind tatsächlich zu Freunden geworden. Ich mache mich auf in die Stadt, zum Supermarkt, wo ich endlich finde, was ich so lange suchte: eine Gaskartusche für meinen kleinen Campingkocher. Nachdem ich bisher ausschliesslich auswärts, meist in der Hostelkantine, gegessen habe (was merkwürdigerweise auch billiger kommt als die Selbstversorgung …), freue ich mich, mal wieder selbst zu kochen. Es gibt Spaghetti mit einer Zucchetti-, Tomaten- und Zwiebelsauce, das erste Mal Pasta nach zwei Monaten – wunderbar! Am Abend dann mache ich mich hinter einen nächsten NZZcampus-Text, jede Woche mindestens einen Beitrag lautet die Vorgabe… Gegen elf dann überzeugen mich einige Mitbewohner, sie zur „Rock-Nite“ zu begleiten. Das Steak-Out, der Club, indem jeden Donnerstag Rock gespielt wird, ist heute aufgrund des morgigen Freitages gerapellt voll. Es werden, wie immer, mehrheitlich fünf oder zehn Jahre alte amerikanische und europäische Rock- und Popsongs gespielt (von Majiahii über Nickelback, Lenny Kravitz zu Darude mit Sandstorm), ein ganz unterhaltsames, wenn auch etwas absurdes Schauspiel. Irgendwann dann laufen wir heim, gönnen uns unterwegs ein spätes Mitternachtsmal. Ich freue mich aufs Osterwochenende.
Bild: Fabian freudig rudernd auf dem Viktoriasee.
Freitag, 10. April 2009
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