Donnerstag, 29. Juni 2006

Der Sonne entgegen


In der Nähe von Gondar begegnete ich einem Menschen, der von Norden nach Süden wanderte. Das ist eigentlich das Wichtigste, was man über ihn sagen kann – dass er von Norden nach Süden wanderte. Ja, man könnte noch hinzufügen, dass er auf der Suche nach seinem Bruder dahinwanderte.
Er war blossfüssig, trug geflickte kurze Hosen und auf dem Rücken etwas, was man früher vielleicht einmal ein Hemd nennen konnte. Darüber hinaus hatte er noch drei Dinge dabei: einen Wanderstab, ein Stück Leinwand, das ihm am Morgen als Handtuch, in den Stunden der Hitze als Kopfschutz und beim Schlafen als Decke diente, und ein hölzernes, verschliessbares Wassergefäss, das er über die Schulter gehängt trug. Geld hatte er keines. Wenn ihm die Menschen unterwegs etwas zu essen geben, dann isst er – wenn nicht, dann zieht er hungrig weiter. Aber er war sein ganzes Leben lang hungrig. Hunger ist für ich nichts Aussergewöhnliches.
Er wandert nach Süden, weil sein Bruder einmal in Richtung Süden aufgebrochen ist. Wann das war? Vor langer Zeit. Auch er selber wandert schon lange Zeit dahin. Er kommt aus den Bergen von Eritrea, aus der Nähe von Keren.
Wie er in den Süden kommt, dass weiss er – am Morgen muss er geradewegs auf die Sonne zugehen. Wenn er jemandem begegnet, dann fragt er ihn, ob er vielleicht Salomon (das ist der Name des Bruders) gesehen hat, ob er ihn kennt? Die Menschen sind über eine solche Frage nicht weiter erstaunt. Ganz Afrika ist in Bewegung, ist auf dem Weg, irrt verloren umher. Die einen sind auf der Flucht vor dem Krieg, die anderen vor einer Dürrekatastrophe, wieder andere vor dem Hunger. Sie fliehen, irren umher, verschwinden irgendwohin. Der Mann, der von Norden nach Süden wandert, ist ein anonymer Tropfen in diesen Strömen von Menschen, die sich durch den schwarzen Kontinent wälzen, getrieben entweder von Todesangst, oder auch von der Hoffnung, einen besseren Platz zum Leben zu ergattern.
Warum will er seinen Bruder finden? Warum? Er begreift diese Frage nicht. Der Grund liegt doch auf der Hand, bedarf keiner Erklärung. Er zuckt mit den Achseln. Vielleicht verspürt er Mitleid mit einem Menschen, den er unterwegs getroffen hat und der, obwohl er gut gekleidet ist, doch um eine ganz wichtige, wertvolle Sache ärmer ist als er selber.
Ob er weiss, wo er sich befindet? Dass der Ort, wo wir jetzt gerade sitzen, nicht mehr in Eritrea liegt, sondern in einem anderen Land – in Äthiopien? Er lächelt das Lächeln eines Menschen, der vieles weiss, der auf jeden Fall eines weiss, nämlich dass es für ihn hier in Afrika keine Grenzen und keine Staaten gibt – nur die verbrannte Erde, auf der ein Bruder seinen Bruder sucht.

Aus: "Afrikanisches Fieber" von Ryszard Kapuśziński

Freitag, 23. Juni 2006

Bilder aus der WM Stadt Stuttgart














Fabian und Goleo der WM Löwe














Schlafplatz fünf Fussminuten vom Hauptbahnhof entfernt. Wilde Hasen gesichtet.














Schweiz Fans auf dem Schlossplatz mit drei Grossbildschirmen.














Das Länderspiel. Wieder einmal hat Deutschland verloren, weil sie gewonnen haben.

Sonntag, 11. Juni 2006

Was Henker zu berichten wissen










DER ANDERE (Henker) Ihren Leib kann ich nehmen, Herr, der ist der Gewalt verfallen, denn alles, was in Staub zerfällt, ist ihr unterworfen, aber wofür sie gekämpft haben, darüber habe ich keine Macht, denn es gehört nicht dem Staub. Dies ist, was ich, ein Henker, ein verachteter Mensch, von den Unschuldigen lernte, die mein Beil fällte und die sich nicht wehrten: Dass einer in der Stunde seines ungerechten Todes den Stolz und die Angst, ja auch sein Recht ablegt, um zu sterben, wie Kinder sterben, ohne die Welt zu verfluchen, ist ein Sieg, der grösser ist, als je ein Sieg eines Mächtigen war. Am leisen Hinsinken der Demütigen, an ihrem Frieden, der auch mich umschloss wie ein Gebet, an der Ungeheuerlichkeit ihres Sterbens, das jeder Vernunft widersprach, an diesen Dingen, die nichts sind vor der Welt als ein Gelächter, weniger noch, ein Achselzucken, offenbarte sich die Ohnmacht der Ungerechten, das Wesenlose des Todes und die Wirklichkeit des Wahren, über die ich nichts vermag, die keine Scherge ergreift und kein Gefängnis umschliesst, von der ich nichts weiss, als dass sie ist, denn jeder Gewalttätige ist eingeschlossen in das dunkle, fensterlose Verlies seiner selbst. Wäre der Mensch nur Leib, Herr, es wäre einfach für die Mächtigen; sie könnten ihre Reiche erbauen, wie man Mauern baut, Quader an Quader gefügt zu einer Welt aus Stein. Doch wie sie auch bauen, wie riesenhaft nun auch ihre Paläste sind, wie übermächtig auch ihre Mittel, wie kühn ihre Pläne, wie schlau ihre Ränke, in die Leiber der Geschändeten , mit denen sie bauen, in dieses schwache Material ist das Wissen eingesenkt, wie die Welt sein soll, und die Erkenntnis, wie sie ist, die Erinnerung, wozu Gott den Menschen schuf, und der Glaube, dass diese Welt zerbrechen muss, damit sein reich komme, als eine Sprengkraft, mächtiger denn jene der Atome, die den Menschen immer wieder umprägt, ein Sauerteig in seiner trägen Masse, der immer wieder die Zwingburgen der Gewalt sprengt, wie das sanfte Wasser die Felsen auseinanderzwängt und ihre Macht zu Sand zermahlt, der in einer Kinderhand zerrinnt.

DER MANN Binsenwahrheiten! Nichts als Binsenwahrheiten!

DER ANDERE Es geht heute nur um Binsenwahrheiten, Herr.

Aus: "Nächtliches Gespräch mit einem verachteten Menschen", Friedrich Dürrenmatt, 1951

Donnerstag, 8. Juni 2006

Kööööööööööööööööööööbi


Für alle, die sich wünschten, Streller hätte in Istanbul den Pfosten getroffen:

Anti-WM-Rap

Allen anderen einen genüsslichen Monat, insbesondere den Italienern, die werden nämlich Weltmeister, oder nicht?

Melken, Mähen, Käsen


Da Ferdinand-Gerhard den Sommer auf einer Alp im Berner Oberland zu Verbringen gedenkt, müssen wir bzw. unsere Blog-Familie einige Wochen ohne ihn und seine Beiträge auskommen. Vorbestellungen für den bereits jetzt für Furore sorgenden und durch seine einzigartige Würzigkeit herausragenden Tsanga-Tsanga Alpkäse können an dieser Stelle vorgenommen werden.